Paludikultur auf Niedermooren
Paludikultur auf Niedermooren ist eine standortgerechte Alternative zur Nutzung entwässerter Niedermoorstandorte. Bei Anbaukulturen ist eine gezielte Etablierung neuer Bestände nötig. Dadurch ändert sich das Landschaftsbild und der Habitatwert. Nasswiesen bilden sich hingegen auf Grünlandstandorten, nach Anheben der Wasserstände, durch spontane Sukzession von selbst.
Angepasste Bewirtschaftung nasser Flächen
Nasse Moortstandorte stellen besondere Anforderungen an die Bewirtschaftung, vor allem bezüglich der Befahrbarkeit. Eine bodenschonende, und damit dauerhafte Nutzung ist nur mit angepasster Technik, d.h. mit geringem Bodendruck, passenden Ernteverfahren und der Berücksichtigung von Kriterien einer schonenden Logistik (z.B. Vermeidung der mehrfachen Befahrung) möglich. Neben verschiedener Kleintechnik gibt es folgende Erntetechnik für nasse Moorstandorte:
Angepasste herkömmliche Landtechnik
Schlepper mit Terra- oder Zwillingsreifen, ggf. Bogiebänder oder Delta- Kettenlaufwerke, mit leichtem Mähaufsatz und leichter Ballenpresse können in mäßig nassen Bereichen bzw. während des kurzzeitigen Absinkens der Wasserstände im Sommer genutzt werden. Angepasste herkömmliche Landtechnik wird zwar durch Wasserstand und Witterung limitiert, erzeilt aber eine hohe Flächenleistung.
Kettenbasierte Spezialtechnik
Spezialmaschinen mit Ketten und umgebaute Pistenraupen können auf sehr nassen Flächen eingestzt werden. Die große Auflagefläche ermöglicht auch bei relativ schweren Maschinen einen geringen Bodendruck. Nachteil ist, dass die Maschinen nicht für Straßenfahrten zugelassen sind, zudem sind die Umbauten meist Einzellösungen und erfordern von den Nutzern ein großes technisches Know-how.
Ballonreifentechnik
Seiga-Maschinen mit Ballonreifen werden bei der Schilfernte eingesetzt. Die leichten Maschinen können auch auf sehr nassen Standorten fahren. Allerdings wurde die Produktion eingestellt und nur alte Maschinen oder Nachbauten sind im Einsatz.
Verwertung von Biomasse aus nassen Niedermooren
Stoffliche Verwertung
Unter "stofflicher Verwertung" versteht man die Veredelung von Niedermoorbiomasse zu Bau- und Dämmstoffen bzw. neuen Produkten im Bereich der Bioökonomie. Röhrichtpflanzen (z.B. Schilf, Rohrkolben) lassen sich zu hochwertigen Baustoffen wie Dämmmaterialien, Konstruktionaplatten, oder traditionell als Dachschilf veredelen. Der Anbau von Schwarz-Erlen unter nassen, also natürlichen Bedingungen, ermöglicht die Wertholzproduktion zur Möbelherstellung.
Energetische Verwertung
Die energetische Verwertung findet thermisch (Verfeuerung) für die Bereitstellung von CO2 neutraler Wärme oder durch Verwertung der Biomasse als CO2-Substrat in Biogasanlagen statt. Im Winter geerntetes Schilf verfügt über wesentlich bessere Brennstoffeigenschaften als Stroh. Aber auch Seggen- und Rohrglanzgrasheu aus der Sommermahd werden in angepassten Feuerungsanlagen in Nahwärme umgewandelt.
Faustzahlen Niedermoorbiomasse
- Heizwert ( w 15%) 14,5GJ je t (=4 MWh)
- Produktivität 2-10 (5) t Trockenmasse je Hektar
- Heizöläquiv. ( w 15%) 200 l Heizöl je t Trockenmasse
Futterbauliche Verwertung
Nasses und feuchtes Niedermoorgrünland kann futterbaulich genutzt werden, entweder zur Heugewinnung oder Beweidung. Wasserbüffel werden bereits vielerorts in der Landschaftspflege für die Beweidung nasser Standorte eingesetzt und können auch die energieärmeren Pflanzenbestände verwerten. Neben der erzielten Landschaftspflegeleistung können sie Fleisch, Leder und Milchprodukte liefern.
In Malchin versorgt seit Juni 2014 ein Biomasse-Heizwerk mit einem 800 kW-Kessel 540 Haushalte, einen Kindergarten und eine Schule mit 4000 MWh Wärme pro Jahr (= 350.000 l Heizöl). Als Brennstoff werden 1000 t Rohrglanzgras- und Seggenheu aus der Landschaftspflege genutzt, welche von ca. 200 ha wiedervernässtem Niedermoor im Sommer geerntet werden.
Die Verbindung zwischen nachhaltiger Wärmeversorgung, regionaler Wertschöpfung und Kulturlandschaftsschutz ist zukunftsweisend. Das Projekt wurde mit dem Deutschen Lokalen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.
Verbesserung der Rahmenbedinungen
Die Umsetzung weiterer Paludikulturprojekte bedarf einer Verbesserung der Rahmenbedingungen (z.B. Erhalt der Direktzahlungen, Investitionsförderung). Anbau von Schilf und Rohrkolben sollte als landwirtschftliche Nutzung anerkannt werden. Des Weiteren empfiehlt sich eine Honorierung der erbrachten ökologischen Leistungen ( Reduktion der Treibhausgasemissionen, Schaffung von Ersatzlebensräumen, Hochwasserschutz, etc.).
Das Institut für Klima, Energie und Mobilität – Recht, Ökonomie und Politik (IKEM) e.V. hat im Auftrag des GMC ein Gutachten zu aktuellen juristischen Hindernissen und Handlungsempfehlungen zur energetischen Nutzung von Paludikulturen erstellt. Zwei kurze policy briefs geben einen Überblick über die mögliche rechtliche Anreizsetzung zur Nutzung von Paludikultur Biomasse im Gebäudeeinsparrecht sowie zur wärmeseitigen energetischen Verwertung. Ein ausführliches Impulspapier führt Handlungsempfehlungen für die energetische und stoffliche Verwertung (z.B. als Dämmstoff) konkret aus.
Würden die positiven ökologischen Eigenschaften von Paludikultur-Biomasse in eine Bewertung gegenüber anderen Energieträgern (z.B. über die Vergabe eines Primärenergiefaktors für Paludi-Biomasse) und Baustoffen (z.B. Reduzierung von CO2-Emissionen beim Anbau der Biomasse und energiearme Verarbeitung zu Dämmstoffen) einfließen, würde die energetische und stoffliche Verwertung von Paludikultur-Biomasse angeregt werden. Dies sollte etwa in der aktuellen Zusammenführung der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zu einem Gebäudeenergiegesetz (GEG) berücksichtigt werden.
Impulspapier Verwertung von Paludikultur-Biomasse
Rechtliche Handlungsempfehlungen für die energetische und stoffliche Verwertung.
Policy Brief Gebäude
Rechtliche Anreizsetzung für Paludikultur-Biomasse im Gebäudeenergieeinsparrecht.
PolicyBrief Wärme
Rechtliche Anreizsetzung für die wärmeseitige energetische Verwertung von Paludikultur-Biomasse.
Details
Quellen & weitere Informationen
[1] Flyer "Landwirtschaft auf nassen Niedermooren"
[2] Wichtmann, W., Schröder, C. & Joosten, H. (Hrsg.) 2016: Paludikultur – Bewirtschaftung nasser Moore. Schweizerbart, Stuttgart, 272 Seiten