Hintergrund

Das Konzept Paludikultur (lat. palus „Sumpf, Morast“) wurde an der Universität Greifswald mit dem Ziel entwickelt, Schutz und Nutzung von Mooren in Einklang zu bringen.

Paludikultur ist die produktive Nutzung nasser Moorstandorte [1]
Wichtmann & Joosten (2007) beschreiben Paludikultur folgendermaßen (in deutscher Übersetzung):
„[…] Paludikultur ist die Kultivierung von Biomasse auf nassen und wiedervernässten Mooren. Idealerweise ist das Moor so nass, dass der Torfkörper dauerhaft erhalten bleibt bzw. ein erneutes Torfwachstum stattfinden kann. Das Grundprinzip von Paludikultur besteht darin, dass nur der Anteil der Nettoprimärproduktion (NPP) genutzt wird, welcher nicht zur Torfbildung notwendig ist (das sind ca. 80-90 % der NPP). In den temperaten, subtropischen und tropischen Zonen der Erde, also in den Zonen, in denen eine hohe Produktion möglich ist, weisen die meisten Moore von Natur aus eine Vegetation auf, von der die überirdischen Pflanzenteile geerntet werden können, ohne das Potential der Torfsequestrierung zu schädigen.
[…] Die Quintessenz von Paludikultur ist, Pflanzenarten zu kultivieren welche: 1. unter nassen Bedingungen wachsen, 2. Biomasse von ausreichender Quantität und Qualität produzieren und 3. zur Torfbildung beitragen.“

Für Mecklenburg-Vorpommern wurde diese weltweit gültige Definition eingegrenzt: Paludikultur ist land- bzw. forstwirtschaftliche Produktion auf wiedervernässten organischen Böden bei Erhalt des Torfkörpers [1].

Paludikultur als standortgerechte Alternative

Paludikultur auf wiedervernässten Standorten hat viele Vorteile:

  • Erhalt von Nutzflächen: Bei torferhaltenden Wasserständen ist der Wasserstand ganzjährig nahe Flur und der Boden wassergesättigt. Der Torf bleibt somit als Produktionsgrundlage erhalten. Die Entwässerung der Böden führt hingegen kontinuierlich zu Torfverlust und -degradierung.
  • Klimaschutz durch Torferhalt: Moore speichern weltweit mehr Kohlenstoff als Wälder. Durch Entwässerung wird dieser Kohlenstoff in Form von Treibhausgasen kontinuierlich freigesetzt. Je tiefer der Wasserstand ist, desto mehr Kohlenstoff wird emittiert. Durch torferhaltende Wasserstände wird der Torf als Kohlenstoffspeicher bewahrt und Emissionen werden um 10-25 t CO2-Äquivalente gemindert.
  • Gewässerschutz durch Nährstoffrückhalt: Im Gegensatz zur herkömmlichen Landwirtschaft auf Mooren, bei der Mineralisation und Düngung zu Stickstoffeinträgen in angrenzende Gewässer führen, können nasse Moore unter Paludikultur als Senken für Stickstoff wirken und damit die Gewässer entlasten.

  • Artenschutz durch Erhalt und Schaffung von Lebensraum: Moore besitzen eine spezifische Flora und Fauna, welche auf die dortigen Bedingungen angepasst sind. Paludikulturflächen bieten Ersatzlebensräume für seltene Tier- (z.B. Kiebitz, Bekassine) und Pflanzenarten (z.B. Sumpf-Sellerie, Trollblume).
  • Nachhaltige Rohstoffgewinnung: Paludikultur ermöglicht eine Nutzung von Mooren bei Erhaltung des Torfs als Produktionsgrundlage. Auch zukünftige Generationen können auf diesen Flächen wirtschaften. Rohstoffe aus Paludikultur sind nachwachsende Rohstoffe, die bei stofflicher Nutzung Kohlenstoff konservieren und bei energetischer Nutzung weniger Kohlenstoff emittieren als fossile Brennstoffe. Somit trägt Paludikultur auch zum Klimaschutz, als Grundlage für zukünftige Generationen, bei. Paludikultur vereint ökonomische, ökologische und soziale Aspekte [3].
  • Stärkung regionaler Wertschöpfung: Paludikultur sichert die langfristige Nutzung von Mooren als Produktionsstandorte. Sie schafft Einkommensalternativen, erhält die regionale Wertschöpfung und mindert die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Die Verwertung der Biomasse kann durch regionale Akteure und durch die vorhandene Infrastruktur (betrieblich, technisch und sozial) erfolgen. Eine Kooperation regionaler Betriebe kann eine Identitätsbildung mit den lokalen Besonderheiten fördern (z.B. Ernte von Schilf und Nutzung als Dachreet in den Küstenregionen Norddeutschlands. Die Wertschöpfungseffekte sind bei der stofflichen Verwertung am größten, da meist mehrere Verarbeitungsschritte nötig sind und höhere Marktpreise erzielt werden können [5].
  • Erhalt Archivfunktion: Torf speichert Informationen über die Zeit, in der er gebildet wurde. Mit Pollen- und Großrestanalysen kann somit i.d.R. die Landschaftsgeschichte der letzten Jahrtausende rekonstruiert werden. Durch den Erhalt des Torfkörpers wird auch seine Archivfunktion erhalten.
Moorstandorte

Wiedervernässte Hoch- und Niedermoore weisen trotz starker Veränderung durch die Entwässerung unterschiedliche Standortbedingungen (z.B. Nährstoffverfügbarkeit) auf. Diese Bedingungen grenzen die Auswahl kultivierbarer Pflanzenarten ein. Schilf, Rohrkolben, Anbaugräser und Erle eignen sich für Niedermoorstandorte, Sphagnum eignet sich für Hochmoorstandorte.

Paludikultur & Naturschutz

Paludikultur soll nicht mit klassischen Naturschutzzielen konkurrieren und ist insbesondere für bisher landwirtschaftlich genutzte, entwässerte und degradierte Flächen ohne Schutzstatus geeignet. In Schutzgebieten haben weiterhin Naturschutzziele Vorrang zu wirtschaftlichen Interessen aus Paludikultur.

Ein erster Standpunkt aus Naturschutzsicht ist im Positionspapier des Länder-AK Moorschutz der Landesfachbehörden für Naturschutz der moorreichen Bundesländer und des BfN beschrieben. Hier werden ausführlich Chancen und Risiken für den Natur- und Umweltschutz aufgelistet, z.B.:

  • Paludikulturflächen als Ersatzhabitate oder Trittsteine: Paludikulturflächen stellen potentielle Ersatzhabitate oder Trittsteine für den Biotopverbund für viele moortypische Arten dar.
  • Paludikulturflächen als Pufferzonen: Paludikulturflächen stellen potentielle Pufferzone zwischen Schutzgebieten im Moor und konventioneller landwirtschaftlicher Nutzung außerhalb dar.
  • Paludikulturflächen als Korridore: Paludikulturflächen können potentielle Korridore zwischen verschiedenen Schutzgebieten darstellen.
  • Gefahren durch die Aberkennung des Status landwirtschaftliche Nutzfläche: Die Aberkennung des Status der landwirtschaftlichen Nutzfläche für Paludikulturflächen führt dazu, dass es keinen Anreiz zur Einhaltung der Cross Compiance-Anforderungen der EU-Förderungen gibt, die die Einhaltung von Umwelt und Naturschutzstandards sichern würden.
  • Gefahren des Rückgangs von Dauergrünflächen: Die Einführung von Paludikultur birgt die Gefahr, dass extensiv genutztes bzw. artenreiches Grünland abnimmt, welches für die biologische Vielfalt bedeutend ist. Paludikultur muss deshalb unter Berücksichtigung des jeweiligen Standortes umgesetzt werden. Naturschutzfachlich besonders wertvolle extensive Nasswiesen müssen geschützt werden.

Die beteiligten Behörden unterstützen die Weiterentwicklung und Umsetzung von Paludikultur, als Landnutzungsverfahren, welches bedeutende Chancen bietet, sich jedoch noch im Erprobungszustand befindet und daher aus Naturschutzsicht noch nicht abschließend bewertet werden kann.

 

Internationale Positionen

Die Bedeutung von Paludikultur bei der Zusammenführung von Moorschutz und forst- und landwirtschaftlicher Produktion spiegelt sich in internationalen Positionen wieder. mehr...

Quellen & weitere Informationen

[1]   Fachstrategie Paludikultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

[2]   Abel, S. et al. (2016): Diskussionspapier zur guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Moorbodennutzung. Telma 46: 155-174.

[3]   Behrendt, D. & Neitzke H.-P. (2016): Nachhaltige Landnutzung. In Wichtmann, W. Schröder, C. & Joosten, H (Hrsg.): Paludikultur – Bewirtschaftung nasser Moore. Klimaschutz − Biodiversität − regionale Wertschöpfung. Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart, 272 p.

[4]   Bonn, A. et al. (2015): Klimaschutz durch Wiedervernässung von kohlenstoffreichen Böden (S. 124-147). In Hartje et al. (Hrsg.): Naturkapital Deutschland - TEEB DE. Naturkapital und Klimapolitik - Synergien und Konflikte. Technische Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. Berlin, Leipzig.

[5]   Holsten, T. (2016): Regionale Wertschöpfung. In Wichtmann, W. Schröder, C. & Joosten, H (Hrsg.): Paludikultur – Bewirtschaftung nasser Moore. Klimaschutz − Biodiversität − regionale Wertschöpfung. Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart, 272 p.

[6]   Holsten, B.; Trepel, M. (2016): Nährstoffhaushalt und Gewässerschutz. In Wichtmann, W. Schröder, C. & Joosten, H (Hrsg.): Paludikultur – Bewirtschaftung nasser Moore. Klimaschutz − Biodiversität − regionale Wertschöpfung. Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart, 272 p.

[7]   Wichtmann, W. & Joosten, H. (2007): Paludiculture: peat formation and renewable resources from rewetted peatlands. IMCG Newsletter 2007/3: 24-28.

[8]   Zeitz (2016): Niedermoornutzung in Nordostdeutschland. In Wichtmann, W. Schröder, C. & Joosten, H (Hrsg.): Paludikultur – Bewirtschaftung nasser Moore. Klimaschutz − Biodiversität − regionale Wertschöpfung. Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart, 272 p.